Folgenschweres Licht

Texte: Anke Feil

Tag und Nacht – Licht und Dunkelheit. Welche Auswirkung hat der immer stärker werdende Trend, die Nacht allerorts durch künstliche Beleuchtungen zum Tag zu machen? Die negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind seit geraumer Zeit bekannt. Die Lösung des Problems ist denkbar einfach: Lasst die Nacht wieder dunkler sein!

Ein Exkurs in das nächtliche Licht:

Wir alle wissen, wie schön es ist, wenn im Frühjahr die Tage länger werden und wir mehr Tageslicht genießen können. Das natürliche Tageslicht und insbesondere das Sonnenlicht – natürlich in Maßen genossen – bedeuten für uns Menschen Gesundheit und auch Wohlbefinden.

Aber welche Bedeutung hat die Dunkelheit für uns? Wir haben uns seit Jahrmillionen, neben den allermeisten anderen Lebewesen und Pflanzen, im Tag- und Nachtrhythmus entwickelt. Der Blick auf den Sternenhimmel hat uns zu vielen Kulturschritten wie zum Beispiel der Navigation, dem Kalender und der Astronomie angeregt.

Die Erfindung des elektrischen Lichts im 19. Jahrhundert hat uns sicherlich viel Gutes gebracht, aber auch sehr viel Energie auf Kosten einer intakten Umwelt gekostet. Zudem sagen Wissenschaftler, dass in Summe jede neue Entwicklung im Bereich der elektrischen Beleuchtung zu mehr Licht statt zu geringerem Energieverbrauch geführt hat. Aktuell nutzen wir 1/5 unseres jährlichen elektrischen Energieverbrauchs für unser überall präsentes künstliches Licht.

Das entspricht dem Energieverbrauch von 3.000 Milliarden Bügeleisen, die einmal eine Stunde lang in Betrieb sind.

Ein Zuviel an Licht bedeutet nicht nur unnötigen Energieverbrauch, es hat auch nachweislich Auswirkung auf Mensch und Tier. Menschen leiden bei Dauerbeleuchtung an Schlaflosigkeit. Fledermäuse siedeln sich nicht an, wenn mögliche Kinderstuben die ganzen Nacht ausgeleuchtet sind und Glühwürmchen gehen bei zu viel Licht nicht auf Partnersuche. Dass helle Lichtquellen aus unterschiedlichsten Gründen ein sicheres Grab für unsere aktuell ohnehin beängstigend schnell schrumpfende Insektenwelt ist, wissen wir alle. Auch führt der durcheinandergeratene Licht-Dunkel-Rhythmus etwa dazu, dass nachtaktive Insekten den Blüten seltener einen Besuch abstatten und so seltener eine Bestäubung stattfindet. Die Konsequenz: Pflanzen bilden weniger Samen. Also ist ein zu viel an Licht ebenfalls ein weiterer Feind der Artenvielfalt.

Allerorts wird immer mehr und immer hellere Beleuchtung verwendet. Dieses Phänomen ist bereits seit Jahren als Lichtverschmutzung bekannt.

In der Lichtverschmutzung kann auch eine weitere mögliche Ursache für das Insektensterben liegen. Das haben nun Maja Grubisic vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und ihr Team untersucht.

Die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv. Sie sind auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren und fortzubewegen oder Räubern auszuweichen. Und auch, um ihren allnächtlichen Aufgaben wie Nahrungssuche und Fortpflanzung nachzugehen“, sagt Grubisic. „Eine künstlich erhellte Nacht stört dieses natürliche Verhalten – mit negativen Auswirkungen auf die Überlebenschancen.“

Für ihre Übersichtsstudie werteten die Wissenschaftler die Ergebnisse aller aktuellen Untersuchungen zu den Auswirkungen von künstlichem Licht in der Nacht auf Insekten aus. Auch die Lichtverschmutzung in den 2017er-Untersuchungsgebieten haben die Forscher dafür ermittelt und verglichen.

Und tatsächlich: Grubisic und ihr Team kommen zu dem Schluss, dass die zunehmende Lichtverschmutzung zumindest eine Mitschuld am Insektenschwund haben könnte.

Unsere Übersichtsstudie zeigt, dass künstliches Licht in der Nacht weit verbreitet ist und komplexe Auswirkungen in landwirtschaftlichen Gebieten mit unbekannten Konsequenzen für die Biodiversität und Pflanzenproduktion haben kann“, sagt Grubisics Kollege Franz Hölker. Wie die Forscher erklären, werden Fluginsekten beispielsweise von künstlichen Lichtquellen angezogen und sterben dann dort durch Erschöpfung oder als leichte Beute von Räubern.

Quelle

Das Problem liegt oftmals in einer höchst ineffektiven Lichtverteilung. Die LED-Technik ist ein guter Weg, aber sie muss richtig eingestellt sein. Leider ist die Beleuchtung insbesondere durch Straßenlaternen, von denen es 9 Millionen in Deutschland gibt, sehr häufig nicht dem Bedarf angepasst. Das verbraucht nicht nur unnötigerweise Energie, es schadet Mensch und Umwelt.

Auch im privaten Bereich sollten wir achtsam mit der Haus- und Gartenbeleuchtung umgehen: Wir verzichten daher bewusst auf die Gartenbeleuchtung, wenn wir uns dort nicht aufhalten. Bewegungsmelder oder Zeitschaltuhren, helfen uns dabei, nur dann Licht zu nutzen, wenn der Bedarf tatsächlich da ist. Sinnvoll ist es auch, bevorzugt insektenfreundlichere Leuchtmittel mit warmen Farben einzusetzen.

Schon gewusst? Über ein Drittel der Deutschen haben die Milchstraße, also unsere kosmische Heimat noch nie gesehen, denn aus einer Lichtwolke heraus, so wie sie unsere beleuchteten Orte und Städte erschaffen, ist sie nicht sichtbar. Dabei ist der Blick in den Sternenhimmel wunderbar spannend und inspirierend. Das Auge gewöhnt sich in der Dunkelheit schnell an die Umgebung. Das kann einem faszinierende Naturerlebnisse bescheren.

Die Milchstraße

Earth Night 2021 – für eine dunkle Nacht im Jahr

Machen Sie doch bei der Earth Night mit! Das geht ganz einfach: Versuchen Sie ab 22 Uhr das Licht zu reduzieren. Wenn man dann noch nicht ins Bett möchte, lassen Sie einfach die Jalousien runter, machen das Außenlicht aus oder lassen Sie das verwendete Licht nach unten scheinen. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit auch und versuchen, dann einen Blick auf die Milchstraße zu werfen.

Wenn Sie, Ihre Kinder und Enkel allerdings (mal wieder) Glühwürmchen sehen möchten, dann reicht es nicht, nur einmal auf etwas Licht zu verzichten. In diesem Falle haben jedoch auch Sie den Schalter für eine bessere Umwelt nicht nur sprichwörtlich in der Hand!

Lichtverschmutzung und Ökologie

Auch bei uns

In der Großgemeinde Birstein wurden die Beleuchtungskörper erneuert, um energiesparende Leuchtmittel zu verwenden. Das ist natürlich löblich, wenn auch ausschließlich dem Aspekt Engergieeinsparung und damit Kostenverringerung geschuldet. Denn im Zuge der Leuchtmittelerneuerung wurde das Thema „Lichtverschmutzung“ nicht bedacht.

Beispiel

Nach der Erneuerung leuchten nun Laternen, die gefühlt die Kreuzung einer dreispurigen Stadtbahn bestrahlen könnten, kleine, verschlafenen Gässchen aus. Diese Gässchen sind teilweise so schmal, dass sich kaum zwei PKWs begegnen können, ohne auf die Bankette zu fahren. Die Laternen entsprechen sicher den aktuellen Vorschriften. Dafür reicht ihr Licht aber weit über den Straßenbereich hinaus auf Gebäude und in Gärten, die dadurch zum Beispiel den Fledermäusen als Lebensraum wegfallen, weiß Thomas Steincke, Fledermausexperte und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Fledermausschutz Vogelsberg.

Fazit

Kombiniert mit dem Trend,  jegliche Gebäude so zu verpacken, dass diese einzigartigen fliegenden Säugetiere kaum noch Wohnraum finden, ist die Lichtverschmutzung – auch im ländlichen Raum – ein weiterers Puzzleteilchen im Gesamtbild: Wir nehmen der Natur und ihren Kreaturen immer mehr Lebensraum.