Größer denken beim Katzenschutz

Texte: Anke Feil

Der Deutsche Tierschutzbund schätzt, dass zirka 2 Millionen verwilderte Hauskatzen in Deutschland leben. Wenn wir die Katzendichte in unserer Region hochrechneten, müssten es allerdings weit mehr sein.

Katzen sind vermehrungsfreudig. 20 unkastrierte Katzen in einem Dorf können sich innerhalb von 12 Monaten auf unglaubliche 320 und mehr Katzen vermehren. Und häufig leben weit mehr Katzen in den Dörfern. Wir haben dieses realistische Rechenbeispiel hier veranschaulicht.

Viele Katzenwelpen ereilt ein schneller – vielleicht dann sogar als gnädig zu bezeichnender – Tod. Den anderen Katzen steht oft monatelanges oder sogar jahrelanges Leiden bevor: Zum Beispiel quälender Floh- und Wurmbefall, eine Herpes-Erkrankung, die die Schleimhäute an Mund, Nase und Augen langsam zerfrisst, sowie Viren und Bakterien, die die oftmals wegen Mangelernährung und häufiger Trächtigkeit geschwächten Tiere dahinraffen. Wandernde Kater prügeln sich und ziehen sich Wunden zu, aus denen der stinkende Eiter quillt. Zu Gesicht bekommen Sie diese armen Tiere allerdings selten, denn kranke Katzen ziehen sich zurück.

Neben dem Tierleid können von den Tieren auch Krankheiten auf Mensch und andere Tiere (Zoonosen) übergehen. Auch wirft man den Katzen vor, zu viele Singvögel zu fangen. Hierzu gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Untersuchungen. Fakt ist jedoch, dass die ohnehin schwierigen (Über-)Lebensbedingungen vieler Wildtiere durch die große Anzahl an Katzen-Wildlingen nicht einfacher werden.

Hiesige Tierschutzvereine setzen sich seit Jahrzehnten für den Schutz dieser Katzen ein und kastrieren die verwilderten Nachkommen des beliebtesten Haustieres der Deutschen. Aber diese Arbeit ist immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viel Arbeit für die Engagierten und immer die Frage: Wie finanzieren wir die Kastrationen. Und, als wäre das nicht schon genug, fehlende Einsicht mancher Bürger, ihre Katzen kastrieren zu lassen, machen die Arbeit noch schwerer.

Dies zu verändern, war die Motivation des Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e. V. (kurz TiNa) im März 2020, Politik, Tierschutz, TierärztInnen, VeterinärbeamtInnen und Betroffene zum Runden Tisch Katzenschutz einzuladen. Gut 50 Besucher, davon aber nur 5 Politiker von 49 Eingeladenen waren der Einladung gefolgt. 30 BürgermeisterInnen hielten es nicht einmal für notwendig, auf die Einladung zu reagieren. Das Resümee des Abends: Das Katzenproblem ist groß, das Engagement der Vereine und Privatpersonen reicht jedoch nicht aus und es ist nur mit Aktivierung der politischen Instrumente zu lösen! Allerdings: Die regionale Politik schenkt dem Tierschutz kein Gehör und falls doch, wird das Problem nicht als solches anerkannt.

Den Hessische Tierschutzbund hat TiNas Initiative motiviert, das Pilotprojekt CATch&Release zu starten. Im Rahmen des Projektes wurde engagierten Vereinen in Osthessen ein Budget von insgesamt 50.000 € für die Kastration von Wildlingen im Zeitraum 15. September bis 31. Dezember 2020 bereitgestellt. Seit Mitte September hatte alleine TiNa weit über 130 Katzen in den Gemeinden Freiensteinau, Birstein, Grebenhain, Wächtersbach, Brachttal, Bad Soden Salmünster, Steinau und Schotten gefangen. Außerdem wurden im Rahmen des Projektes sehr viele Kitten aufgenommen, gezähmt und vermittelt.

Der Tierschutzbund sammelte hierüber Daten, um einen Überblick zu bekommen, wie hoch die Populationsdichte der Katzenwildlinge hier tatsächlich ist.

Diese Aktion wird vermutlich nur kurzfristig helfen, weil das Katzenproblem in der Politik nicht ausreichend wahrgenommen wird. Die Vereine haben weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen, um die verwilderten Katzenpopulationen auf Dauer ausreichend zu kontrollieren.

TiNa hat die aktuell verantwortlichen Politiker auf Landesebene befragt. Erstaunlicherweise ist man der Meinung, dass doch sehr viel für den Katzenschutz (Ermächtigung der Kommunen bezüglich einer Katzenschutzverordnung, Hessische Tierschutzstiftung, Themen-Flyer) getan würde.

Sie schlagen vor, dass sich die Vereine politisch engagieren, um das Thema voran zu bringen. Das würde bedeuten, dass es einen Verein im Verein gibt. Einer, der für die praktische Arbeit tätig ist und einer, der in der Politik agiert. Menschen, die für ein Thema engagiert sind, wissen, dass diese beiden unterschiedlichen Betätigungsfelder oft nicht vereinbar sind.

Aus Sicht des Tierschutzes ist der Effekt der Maßnahmen jedoch gering. Weniger als 40 hessische Kommunen etablierten seit 2015 eine Katzenschutzverordnung. Die Regeln der Hessischen Tierschutzstiftung lassen nur im 3 Jahres-Rhythmus eine Förderung zu, die dazu noch sehr bürokratisch und aufwendig beantragt werden muss.

Der Themen-Flyer der Tierschutzbeauftragen des Landes Hessen, der irgendwo auf seinen Download wartet, soll zur Aufklärung in der breiten Bevölkerung dienen. Aber wie soll er gefunden werden?

Immerhin hat es die Katze ins Gesetzesbuch geschafft! Der Schutz vieler Katzen wäre ja mit dem §13b TierSChG grundsätzlich möglich! Das Land Hessen hat das Problem erkannt, wurde zurecht aktiv und hat die Verantwortung für die Lösung des Problems an die Kommunen weiter gereicht. Dieser Weg stellt sich als völlig unzureichend heraus, da die Gemeinden nicht bereit sind, das Problem zu erkennen.

Die Umsetzung einer Katzenschutzverordnung durch die Kommunen würde ein Minimum an Gesprächsbereitschaft mit dem Tierschutz voraussetzen. Die hiesigen Gemeinden sträuben sich jedoch mit Händen und Füssen dagegen, die Vereine anzuhören, geschweige denn, mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden.

Somit ist §13b in unseren Augen eine zahnlose Katze ohne Krallen. Ein ernsthafter Willen der Landespolitik, hier tatsächlich flächendeckend etwas zu bewirken, ist nicht zu erkennen. Sonst hätte man während der vergangenen 5 Jahre längst einen Strategiewechsel vornehmen müssen. Denn bisher nutzen lediglich weniger als 40 von 422 hessischen Kommunen – trotz dringender Notwendigkeit – die Möglichkeit, eine Katzenschutzverordnung einzuführen.

Das „Aktionsbündnis Katzenschutz“, das sich anlässlich des runden Tisches formiert hat und dem sich viele regionale Vereine und Engagierte angeschlossen haben, hat bereits eine Handlungsempfehlung an die hiesigen Gemeinden versandt. Wir werden auch weiterhin daran arbeiten, sachlich und zielgerichtet mit den politischen Vertretern ins Gespräch zu kommen, auch um weitere Handlungsvorschläge und Informationsangebote zum Thema zu geben – notfalls auch ungefragt.

Der regionale Tierschutz ist sehr unzufrieden mit der aktuellen Politik zum Schutz der Katze im Großen und im Kleinen. Aber wir machen weiter, denn wir wissen: Leidenschaft kann Berge versetzen. Und man sollte uns nicht unterschätzen. Denn wer es schafft, verwilderte und kratzbürstige Katzen zu Schmusekatzen zu zähmen, scheut nicht vor den hiesigen Sandstein- und Granitköpfen in der Politik zurück.

Nach unendlich viel Schreib- und Überzeugungsarbeit, Sitzungen und Gesprächen ist es endlich soweit: Im April 2022 wurde in Brachttal mehrheitlich für eine Katzenschutzverordnung gestimmt. Die Ausarbeitung der Musterverordnung durch den Gemeindevorstand steht noch aus [Stand 29.6.2022], doch dabei handelt es sich lediglich um eine Formalie.

Hier die Details vom Anstoß des Projektes bis zum Beschluss.

Dank an unser Mitglied Bea Schmidt-Stieler, die mit Unterstützung von Anke Feil unermüdlich für dieses Ziel gekämpft hat.

Update (18.12.2022): Am 06. November wurde in Brachttal der amtierende Bürgermeister Wolfram Zimmer in seinem Amt bestätigt. Von da an drehte sich der Wind für die Katzenschutzverordnung. Stand Dezember 2022 ist sie bedauerlicherweise wieder vom Tisch.

Politisches Handeln notwendig

Katzenschutzverordnung

Der § 13b TierSchG kann unter Umständen auch eine Einschränkung für Hauskatzen bedeuten, die Freigang haben: Gemäß § 13b Abs. 2 S. 1 kann „der unkontrollierte freie Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen in dem jeweiligen Gebiet verboten oder beschränkt“ werden. Das bedeutet, dass Katzen, die zwar ein Zuhause haben, aber nicht kastriert worden sind, nicht oder nur sehr eingeschränkt ins Freie gehen dürfen. Durch diese gesetzliche Regelung werden Katzenhalter indirekt dazu gezwungen, ihre Katzen kastrieren zu lassen – sofern sie sie nicht immer eingesperrt halten möchten.

Eine entsprechende Katzenschutzverordnung sieht auch das Land Hessen vor, überlässt es aber den Kommunen und Gemeinden, diese einzuführen.

Umfangreiche Informationen zum Thema finden Sie auf der Internetseite Politik für die Katz‘. Aus langjähriger intensiver Auseinandersetzung mit der Thematik im politischen Umfeld hat Anke Feil eine Liste der gängigsten Argumente und passende Hintergrundinformationen zusammengestellt, auf die man in der Diskussion um eine Katzenschutzverordnung häufig trifft.